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Zivilgesellschaftliche Perspektiven auf das neue UNESCO-Bildungsprogramm „BNE 2030“

Bildung als Schlüssel zur nachhaltigen Zukunft: Unter dem Titel Bildung für nachhaltige Entwicklung 2030 will die UNESCO die Weichen für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit der kommenden zehn Jahre stellen. Wir haben uns das neue Programm näher angeschaut.

Vom 17. bis 19. Mai veranstaltete die UNESCO eine internationale Konferenz zur Zukunft der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Die Konferenz war ursprünglich bereits 2020 geplant und sollte den Startschuss für das neue UNESCO-Programm „BNE 2030“ geben, das die Weichen für die nächsten 10 Jahre Bildung für nachhaltige Entwicklung stellen soll. Nachdem die Konferenz aufgrund von Corona verschoben werden musste, wurde das Programm im Herbst 2020 in einer Reihe von Online-Veranstaltungen der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Es betont die Schlüsselrolle, die BNE für die Erreichung aller Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) einnimmt und legt zentrale Handlungsfelder fest, die für die Umsetzung von BNE in den UNESCO-Mitgliedsstaaten handlungsleitend sein sollen.

Um das UN-Nachhaltigkeitsziel 4.7 zu erreichen ist die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur_innen in die Gestaltung und Umsetzung von „BNE 2030“ unerlässlich. Zivilgesellschafliche Bildungspraktiker_innen sind in allen UNESCO-Mitgliedsstaaten zentrale Akteur_innen und übernehmen Schlüsselrollen in der Umsetzung von BNE. Sie eröffnen kritische globale Perspektiven, bieten kreative Lehrangebote und erreichen Zielgruppen auch außerhalb des formalisierten Bildungssystems, indem sie Brücken bauen zwischen formalem und non-formalem Bildungsbereich.

Grundlagen zur BNE-Umsetzung international sehr verschieden

Um die Perspektive der internationalen Zivilgesellschaft in dem Prozess um „BNE 2030“ sichtbar zu machen, hat VENRO 2020 zusammen mit zahlreichen internationalen Bildungspraktiker_innen die Stellungnahme „Bildung ist der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft“ erarbeitet. Entstanden ist ein spannender Dialog zwischen Bildungspraktiker_innen aus unterschiedlichen UNESCO-Mitgliedsstaaten, der sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufzeigt.

Auf der einen Seite sind die Grundlagen zur Umsetzung der BNE international sehr unterschiedlich. Während BNE in einigen Staaten schon seit längerem zum etablierten Bildungssystem gehört und zum Teil – wenn auch in der Regel nicht in ausreichendem Maße – staatlich gefördert wird, sind Bildungsakteur_innen in anderen Staaten erst einmal damit beschäftigt, den Zugang zu Bildung für alle Bürger_innen einzufordern. Grundlage für alle weitere Bildungsarbeit bleibt daher, dass die UNESCO-Mitgliedsstaaten die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen zur Umsetzung von BNE schaffen.

Globales System muss grundlegend hinterfragt werden

Auf der anderen Seite steht als große Gemeinsamkeit die Identifikation zentraler, globaler Krisen, die für das Ziel der BNE – eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltige Zukunft zu gestalten – angegangen werden müssen: Klimawandel, wachsende Ungleichheit, Rassismus, die Bedrohung demokratischer Strukturen. Das globale System, das auf ökologischer Ausbeutung und sozialer Ungleichheit basiert, muss grundlegend hinterfragt werden. Die Stellungnahme macht deutlich, dass dabei keine Symptompolitik hilft.

Stattdessen müssen strukturelle Veränderungen angestrebt werden: Ziel der BNE muss es sein, Bürger_innen in ihrer kritischen, politischen Handlungsfähigkeit zu stärken, sie aus ihrer Rolle als bloße Konsument_innen herauszuheben und zur Mitgestaltung zu motivieren. Wichtig ist, dass dabei alle an einem Strang ziehen: internationale Kooperation zwischen zivilgesellschaftlichen Bildungsakteur_innen, der Austausch insbesondere zwischen Globalem Süden und Norden, aber auch die Kooperation zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Bildungsakteur_innen sind zentrale Aspekte einer gelingenden gemeinsamen Anstrengung.

Fazit zum neuen Programm: Gute Basis, der mehr Mut gut täte

Das UNESCO-Programm „BNE 2030“ schafft für diese Aufgaben eine gute Grundlage; es stärkt die Bedeutung der BNE zur Erreichung aller UN-Nachhaltigkeitsziele und ruft dazu auf, sie in jede staatliche entwicklungs- und bildungspolitische Strategie zu integrieren. Auch betont es die Bedeutung der Sektor-übergreifenden Zusammenarbeit und erkennt damit die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft an. An Stellen könnte das Programm dennoch wesentlich mutiger sein. Beispielsweise wenn es davon spricht, Wirtschaftswachstum nachhaltig zu gestalten, statt Wachstum als oberste Wirtschaftsdoktrin grundsätzlich in Frage zu stellen.

Nun kommt es vor allem drauf an, wie das Programm in den UNESCO-Mitgliedsstaaten angenommen und umgesetzt wird und ob bzw. wie die Impulse aus der Zivilgesellschaft aufgenommen werden. Wenn Bildung ihrer Schlüsselrolle gerecht werden soll, dann muss sie kritisch, ganzheitlich, kreativ und progressiv sein.


Dieser Artikel ist in leicht veränderter Form auch in der Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik (ZEP) erschienen.