Politik

„Gut gemachte Entwicklungszusammenarbeit ist eine strategische Investition“

Können sich sowohl altruistische Menschen als auch jene, die sehr auf deutsche Interessen fokussiert sind, hinter Entwicklungszusammenarbeit vereinigen? Ja, sagt Prof. Dr. Tobias Heidland vom Kiel Institut für Weltwirtschaft: Wenn diese gut gestaltet ist, bringt sie auch dem Geberland klar messbar Vorteile. Er forscht aktuell zu der Frage, wie Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) den Interessen aller Beteiligten dienen können.


Eine Erkenntnis Ihrer bisherigen Arbeit ist, dass Entwicklungszusammenarbeit viel häufiger ein gegenseitiger Vorteil ist, als dies bisher wahrgenommen wird. Können Sie hierfür Beispiele nennen?

In der öffentlichen Debatte wird Entwicklungszusammenarbeit (EZ) oft als rein altruistische Hilfe verstanden, obwohl viele Studien zeigen, dass gut gestaltete EZ auch dem Geberland messbare Vorteile bringt. Wir sprechen dann von „Mutual Interest ODA“ – also Zusammenarbeit, bei der sich Interessen von Geberländern und Empfängerländern überschneiden. Ganz konkret identifizieren wir Fälle, in denen klare wissenschaftliche Evidenz vorliegt, dass die Bevölkerung an beiden Orten profitiert.

Ein klares Beispiel sind frühzeitige Investitionen in Pandemieprävention oder in Gesundheitssysteme, die die Risiken für alle senken und so langfristig auch hohe Kosten für Geberländer vermeiden.

In unserer Studie gehen wir systematisch mehrere Bereiche durch: Ökonomische Vorteile, geopolitische Vorteile sowie der wichtigste Teil: Stabilität und Sicherheit. Dieser umfasst neben Gesundheit auch bewaffnete Konflikte, Terrorismus, Fluchtbewegungen, Klimawandel. In jedem dieser Bereich bietet die Studie einen aktuellen Literaturüberblick und gibt, wenn diese existieren, die Größenordnung der Effekte für die Geberländer mit an.

Wie können diese gegenseitigen Vorteile noch besser zur Geltung kommen?

Der Schlüssel liegt in einer klaren Strategie des Geberlandes, die auch die Steuerzahler_innen verstehen, in Transparenz, Evidenzbasierung, Partnerschaftlichkeit in der Beziehung von Geber- und Empfängerland und natürlich in einem Commitment zu Qualität bei der Umsetzung. Wenn diese Faktoren gegeben sind, ist einerseits mit großer Wahrscheinlichkeit die Entwicklungswirkung hoch und andererseits lässt sich die EZ politisch vertreten und ist damit im Geberland politisch nachhaltiger.

Welche Beiträge leistet EZ zur Förderung von Sicherheit und Stabilität?

Sehr viele. Wir definieren Sicherheit und Stabilität bewusst breit und inkludieren z.B. das Klima, da es andere Aspekte des Lebens mit destabilisiert. Politische Instabilität im Globalen Süden hat direkte Folgen für den Globalen Norden – etwa durch Fluchtbewegungen, Terrorismus oder unterbrochene Lieferketten. Stabilität ist daher ein gemeinsames Interesse.

Studien, die wir zitieren, zeigen: Jeder Euro in Krisenprävention kann bis zu 25 Euro an späteren Kosten einsparen. Im Gesundheitsbereich sind die Investitionserträge für das Geberland pro Euro sogar teils noch höher. Bildungs- oder Gesundheitsprojekte können nachweislich das Risiko für internationalen Terrorismus oder erneute Gewalt in Postkonfliktsituationen senken. Post-Konflikt-Programme wie „Truth and Reconciliation“-Initiativen stärken den sozialen Zusammenhalt. Kurz gesagt: Entwicklungszusammenarbeit kann Instabilität reduzieren, was auch im Sicherheitsinteresse der Geberländer liegt.

Was entgegnen Sie Menschen, die EZ als Steuergeldverschwendung betrachten?

Gut gemachte Entwicklungszusammenarbeit ist keine Wohltätigkeit, sondern strategische Investition. Sie schafft Stabilität, öffnet Märkte, stärkt globale Kooperation und nützt damit langfristig auch der Gesellschaft im Geberland. Das zeigen wir in unserer Forschung nicht nur normativ, sondern mit klarer empirischer Evidenz.

Gerade hinter Fällen von „Mutual Interest ODA“ können sich sowohl stark altruistische Menschen als auch jene, die sehr auf deutsche Interessen fokussiert sind, vereinigen.


Tobias Heidland ist Leiter des Forschungszentrums Internationale Entwicklung am Kiel Institut für Weltwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

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