Politik, Service

Stärkung der Rentenpolitik in Uganda: Die Idee ist nur so gut wie die Umsetzung

Eine Repräsentantin von HelpAge gibt bei einem Besuch in Gulu eine Einschätzung ab.

Immer mehr afrikanische Länder führen steuerfinanzierte Grundrenten ein, darunter auch Uganda. Unsere Mitgliedsorganisation HelpAge zeigt am Beispiel eines lokalen Projekts, wie die ländliche Bevölkerung gestärkt werden kann und welche Schritte dafür erforderlich sind.

Die Idee der sozialen Sicherung für alle stammt aus den 1940er Jahren und spiegelte die Vision einer sozialen Nachkriegsordnung wider. Dennoch haben derzeit immer noch weniger als 16 Prozent der älteren Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen Zugang zu einer Rente. Die gute Nachricht ist, dass immer mehr afrikanische Länder steuerfinanzierte Grundrenten einführen. Vor allem das östliche und das südliche Afrika haben eine Tradition von steuerfinanzierten Grundrenten.

Das älteste dieser Systeme ist der 1927 in Südafrika eingeführte Old Age Grant. In den vergangenen Jahren haben Tansania (2016) und Kenia (2018), dessen universelle Grundrente fast eine Million ältere Menschen erreicht, nachgezogen. Uganda führte 2011 den Senior Citizens Grant (SCG) ein, der flächendeckend sukzessiv bis 2020 ausgerollt und ca. 348.000 ältere Menschen erreichen sollte. Anspruchsberechtigt auf eine Grundrente von 25.000 Uganda Shilling (umgerechnet ca. 6 Euro) waren in den Pilotregionen zunächst alle Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet hatten.

Mit der landesweiten Einführung des SCG 2020 wurde das Berechtigungskriterium in den „neuen“ Distrikten auf 80 Jahre erhöht. Das Eintrittsalter in den „alten” Distrikten bleibt bei 65 Jahren und eine schrittweise Angleichung in den „neuen“ Distrikten ist vorgesehen. Der SCG trägt dazu bei, es älteren Menschen in Uganda zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse zu decken und ihre Autonomie zu bewahren. Erste Audits in den Distrikten belegen, dass für SCG-Begünstigte die Wahrscheinlichkeit in Armut zu leben im Durchschnitt um fast 20 Prozent sank, während sie für ältere Menschen ohne den SCG derweil anstieg.

Auf dem Land ergeben sich andere Herausforderungen

Allerdings handelt es sich dabei vor allem um die städtische Bevölkerung, die bisher durch die Rente erreicht wird, während abseits der großen Städte der Grant nahezu unbekannt ist. Hier setzt das Projekt an, das HelpAge Deutschland mit seinen Partnerorganisationen CARITAS Gulu und Grandmothers Consortium derzeit umsetzt, um die ländliche Bevölkerung zu erreichen.

Eine Karte von Uganda mit den sechs Distrikten.
Die sechs Projekt-Distrikte in Uganda

Ausgewählt wurden hierfür sechs Distrikte (siehe Karte), in denen die Partnerorganisationen bereits tätig sind und in denen der erweiterte SCR ausgerollt werden sollte. Die ugandische Bevölkerung verfügt nur sehr selten über nationale Identifikationskarten, vergleichbar unseren Personalausweisen. Diese sind häufig fehlerbehaftet. Wer jedoch über keine korrekte ID-Karte verfügt, erhält auch keinen Rentenausweis.

Bis die Korrekturen vorgenommen und neue Karten ausgegeben werden, vergehen häufig mehrere Monate, was zwar nicht zum Verlust des Anspruchs der Berechtigten führt, aber die Auszahlung um mehrere Monate verzögern kann.

Weitere Herausforderung bei der Projektumsetzung: Erste Erfahrungen aus den Berichten der Partnerorganisationen zeigen, dass in Distrikten, die den SCG neu einführen, Wegstrecken zu Auszahlungspunkten länger sind als in solchen, die das SCG bereits länger implementieren. Dies stellt besonders ältere Menschen mit Behinderung vor große Herausforderungen. In Distrikten, in denen der SCG neu ist, zeigt sich außerdem ein geringeres Verständnis für das Programm und die Anspruchsvoraussetzungen, was zum Beispiel dazu führt, dass ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oft nicht wissen, dass sie Vertretungen benennen können, die die Transferleistungen in ihren Namen abholen. Dadurch verlieren viele Empfangsberechtigte ihre monatlichen Zahlungen.

Ähnliche Problemstellungen hatte Kenia in seiner Implementierungsphase. Wie diese bewältigt wurden, haben wir hier zusammengefasst.

Lokaler Rat unterstützt den Prozess

Um eine qualitativ hochwertige Umsetzung des SCG zu gewährleisten und den Begünstigten eine Stimme zu geben, wurde der bestehende, schwer zugängliche und formale Beschwerdemechanismus aufgebrochen und angepasst. Dazu gründeten die Anspruchsberechtigten in den Dörfern und Kommunen jeweils einen lokalen Council, der von ihnen geleitet wird und über die Beschwerden berät. Zugleich hat der Council eine Rechenschaftspflicht/Accountability gegenüber den Berechtigten, aber auch gegenüber Distriktbehörden.

Die wichtigsten Mechanismen sind:

  1. Regelmäßiges Monitoring und Evaluierung der SCG-Implementierung auf der Gemeindeebene durch ältere Menschen und lokale Führungspersönlichkeiten.
  2. Die Sammlung, Bewertung und Adressierung der spezifischen Probleme und Herausforderungen älterer Menschen im Kontext des SCG.
  3. Regelmäßige Begegnungen zwischen älteren Menschen, lokalen Führungspersonen/Entscheidungsträgern und Regierungsvertretern, um die durch den social accountability Mechanismus gesammelten Daten und Evidenzen zu teilen, zu diskutieren, sowie Lösungswege gemeinsam zu erarbeiten.

Erfahrungen zeigen, dass ohne einen inklusiven und vertrauenswürdigen Prozess, der die Stimmen der Begünstigten sammelt und kanalisiert, kaum Verbesserungsmaßnahmen seitens der politischen Entscheidungsträger und Implementierter ergriffen werden. Social accountability-Mechanismen auf Gemeindeebene müssen dementsprechend in regionale und nationale Plattformen einfließen, damit die Empfehlungen in einen Dialog mit politischen Entscheidungsträgern eingebracht werden können.

Wichtig waren auch ausführliche Beratungen mit den Begünstigten des Programms sowie der Regierung und relevanten zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber auch der Blick auf die Erfahrungen aus früheren Projekten.

Darauf basierend zielt das Projekt nun darauf ab, die Strukturen älterer Menschen zu befähigen, die Umsetzung des SCG effektiv zu überwachen und die Erkenntnisse zu nutzen, um sich für eine verbesserte Durchführung des Programms einzusetzen und Lobbyarbeit zu betreiben. Damit stärkt das Programm auch das Bewusstsein älterer Menschen für ihre breiteren sozialen und wirtschaftlichen Rechte sowie für ihren Zugang zu verschiedenen Ansprüchen – insbesondere zu wichtigen sozialen Dienstleistungen und sozialen Sicherheitsnetzprogrammen.

Folgende Aktivitäten tragen hierzu bei:

  • Aufklärungskampagnen und Trainingsmaßnahmen für Empfänger und Sensibilisierung sowie Training der Distriktbeamten.
  • Eine Baseline Study, gefolgt von Datensammlungen für Gemeinde und Distriktebene, die somit auch für die Fortschreibung von Sozial- und Gesundheitsdaten über das Projekt genutzt werden können.
  • Unterstützung bei Beantragung und Ausfüllen der Identitätskarten, sowie nachfolgend der Rentenausweise. Diese werden auch über die Distriktebene hinaus von Provinz- und Regierungsbehörden anerkannt.
  • Schulung von Distriktbeamten und Bildung von Räten auf kommunaler und Dorfebene, die die Prozesse begleiten. In durchschnittlich 70 Prozent dieser Gemeinderäte haben Frauen den Vorsitz, was zusätzlich deren Rechte in der Gesellschaft stärkt.

Für nachhaltigen Erfolg muss die Finanzierungsfrage gelöst werden

Neben diesen positiven Entwicklungen verbleiben jedoch Herausforderungen, die allein durch dieses regional beschränkte Projekt nicht gelöst werden können. So verfügt Uganda etwa noch über ein instabiles Steuer- und Finanzaufkommen. Dadurch ist die weitere Finanzierung des National Council of Older Persons (NCOP), aus dem sich der Rentenanspruch in Uganda speist, gefährdet. In vergleichbaren Ländern, in denen die Einführung bzw. Umsetzung eines Sozialsystems ansteht – wie etwa in Nigeria – werden nur 6 Prozent der erfassten Steuerpflichtigen zur Zahlung einer Einkommenssteuer herangezogen.

Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass der Erfolg des Projekts und die Versorgung älterer Menschen mit der gesetzlich garantierten Rente nur dann nachhaltig ist, wenn auf nationaler Ebene insbesondere die Frage der dauerhaften Finanzierung gelöst wird. Dazu muss einerseits die ugandische Regierung beitragen. Andererseits müssen aber auch Lösungswege über die Weltbank, den Internationaler Währungsfonds (IWF) und die Afrikanische Union gefunden werden, damit die Idee der sozialen Nachkriegsordnung der 1940er Jahre auch 100 Jahre später Afrika erreicht.


Dr. Jürgen Focke ist Leiter Stabsstelle Policy & Advocacy bei HelpAge Deutschland und Sprecher der VENRO-Arbeitsgruppe Behinderung und Entwicklung.